Karate – gestern und heute
Karate entstand vor mehr als tausend Jahren, als der buddhistische Mönch und Begründer des Zen, Daruma (Boddhidarma), im Kloster Shao Lin in China lebte. Er unterwies seine Schüler in körperkräftigenden Übungen, die Ausdauer und Stärke verleihen sollten, denn die harte Disziplin ihrer Religion verlangte eine kräftige Konstitution.
Diese Körperschule wurde dann weiterentwickelt und als Shao-Lin-Kampfkunst bekannt. Chinesen brachten sie später nach Okinawa, wo sie sich mit den einfallsreichen Kampftechniken dieser Insel vermischte. Als der Herrscher des Inselreiches und der spätere Feudalherrscher von Kogoshima den Waffenbesitz verboten, förderten sie ungewollt die Entwicklung des „Kämpfens mit leeren Händen“ als Selbstverteidigung.
Diese Budo- oder Kampfkunst wurde aufgrund ihrer chinesischen Herkunft Karate genannt, geschrieben mit den Schriftzeichen, die wörtlich „chinesische Hand“ besagten.
Der moderne Meister dieser Kunst, Funakoshi Gichin, der 1955 im Alter von 88 Jahren starb, änderte die Schriftzeichen in der Weise, das sie nunmehr – bei gleicher Aussprache – „leere Hände“ bedeuteten. Funakoshi wählte diese Deutung bewusst wegen ihres Sinngehaltes in der zen-buddhistischen Philosophie. Für den Meister war Karate eine Kampfkunst, gleichzeitig aber auch der Weg („Do“), den Charakter zu formen.
Er schrieb : „So, wie die blanke Oberfläche eines Spiegels alles wiedergibt, was vor ihm steht, und wie ein stilles Tal selbst den schwächsten Laut weiter trägt, soll der Karateschüler sein inneres Leermachen von Selbstsucht und Boshaftigkeit, um in allem, was ihm begegnen könnte, angemessen zu handeln. Das ist mit kara oder „leer“ im Karate Gemeint.“
Karate wurde in der japanischen Öffentlichkeit erstmals im Jahre 1922 demonstriert. Funakoshi, der in jenen Tagen Professor an der Pädagogischen Hochschule von Okinawa war, erhielt eine Einladung zu einer Vorlesung und Demonstration anlässlich einer Veranstaltung mit altjapanischen Kampfkünsten durch das Erziehungsministerium. Seine Darbietungen beeindruckten die Zuschauer so stark, das er mit zahlreichen Bitten bedrängt wurde, in Tokio zu unterrichten. Und so lehrte Funakoshi, statt nach Okinawa zurückzukehren, an mehreren Universitäten und auch im Kodokan, der Hochburg des Judo, bis er 1936 den Shotokan gründen konnte – ein Meilenstein in der Geschichte des Karate in Japan. Die Japan Karate Association wurde 1955 mit Funakoshi als Chefausbilder ins Leben gerufen.
Anfangs zählte die Organisation nur wenige Mitglieder und eine Handvoll Ausbilder, die unter dem nun alternden Meister gelernt hatten. Der Verband wurde dann 1957 durch das Erziehungsministerium anerkannt. Im gleichen Jahr veranstaltete der Verband die erste alljapanische Karate-Meisterschaft , die heute ein jährliches Ereignis ist und dazu beiträgt, das Karate als Wettkampfsport immer mehr an Boden gewinnt. Nach einem gewaltigen Anwachsen verfügt die Japan Karate Association heute über mehr als 100000 aktive Schüler und zahlreiche angeschlossene Verbände in allen Teilen der Welt. Die Rolle des Karate im modernen Zeitalter ist vielseitig.
Als bevorzugte Form der Selbstverteidigung wird Karate fast überall in Schulen und Clubs gelehrt. In Japan wurde es in das Unterrichtsprogramm der Polizei und der Streitkräfte übernommen. Eine große Zahl von Universitäten rechnen Karate zu den sportlichen Disziplinen der Leibeserziehung, und auch Frauen lernen überall die Karatetechniken zu meistern.
In Japan und in vielen Ländern der Erde gewinnt Karate zusehends an Beliebtheit: als ein Kampfsport, der innere Disziplin, aber auch äußere Tapferkeit verlangt.
Das, was ursprünglich im Fernen Osten als Kriegskunst entwickelt wurde, hat die Zeit überdauert und wandelte sich im Laufe der Jahrhunderte nicht nur zu einer hochwirksamen Form der waffenlosen Selbstverteidigung, sondern auch zu einem aufregenden, anspruchsvollen Sport, dem sich begeisterte Schüler aus aller Welt verschrieben.